Große Veränderungen

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Im Februar hat auf dem Gelände des zukünftigen Rechenzentrums eine Bürgersprechstunde zur Neubebauung des Campus stattgefunden. Dabei zeigte sich, die Interessen von Stadt, Uni und Anwohnern zu berücksichtigen, ist kompliziert. Die Standortwahl könnte zu einer Frage des kleineren Übels werden.


Es ist früher Nachmittag an einem sonnigen Montag Anfang Februar, an dem sich die große Menschentraube um drei Aufsteller auf der unförmigen und zugigen Freifläche zwischen dem Unigebäude A5 und der barocken Sternwarte bildet. Unirektor Prof. Dr. Thomas Puhl hat zu einer Bürgersprechstunde eingeladen. Es sollen die Pläne eines der größten Bauvorhaben in der Geschichte der Uni Mannheim präsentiert und Fragen an die Planer, Auftraggeber und Nutzer der neuen Gebäude besprochen werden. Rund 60 Personen sind gekommen, die meisten davon skeptische Anwohner, zwischen ihnen Reporter, Vertreter der Stadt und beteiligten Ämter, Mitarbeiter der Universität, das Studierendenwerk und sogar ein paar Studierende. Sie alle hören Herrn Puhl zu, der die Veranstaltung moderiert und zunächst ganz begeistert von den Bauplänen schwärmt, die in den vergangenen Wochen erarbeitet wurden.

„Büros könnten wir überall anmieten, Hörsäle nicht“ – Prof. Dr. Thomas Puhl, Rektor der Uni Mannheim

Schon seit Langem platzt die Uni aus allen Nähten. Sie ist die Hochschule mit der höchsten Hörsaalbelegungsdichte in ganz Baden-Württemberg. Das Schloss befindet sich im Renovierungszustand, viele Räume sind daher für längere Zeit nicht nutzbar. Doch leicht zu ersetzen sind diese nicht. In den vielen interdisziplinären Mannheimer Studiengängen mit Kürzeln wie BaKuWi, UJu oder WIFo wird typischerweise viel zwischen mehreren Fakultäten gewechselt. Bei den fünfzehnminütigen Vorlesungspausen, die man ja nicht einfach ausdehnen kann, ohne Stundenpläne und Arbeitszeiten in die Länge zu zerren, ist ein Campus der kurzen Wege unabdingbar. „Büros könnten wir überall anmieten, Hörsäle nicht“, erklärt Puhl. Die Uni Mannheim stehe ja nicht nur aufgrund ihrer fachlichen Exzellenz im Wettbewerb mit Hochschulstandorten wie Bocconi und Cambridge, sondern nicht zuletzt wegen der Attraktivität ihres Campus: Fußläufig, familiär, ein Ort der Begegnung – dort, wo sich von Ersti bis Rektor*in alle über den Weg laufen. Dieses Alleinstellungsmerkmal müsse gewahrt werden.

Noch akuter als der generelle Platzmangel ist aber ein anderes Problem: Das Rechenzentrum der Uni Mannheim, der Ort, über den die gesamte Universitäts-IT abgewickelt wird, sei „in seiner Funktionalität massiv gefährdet“, wie aus den von Puhls Mitarbeiter*Innen ausgeteilten Flyern hervorgeht. Die Serverräume befinden sich im nahe des Hauptbahnhofs gelegenen Hochhaus L15 direkt unterm Dach und sind „bei Sommerzeithitze nicht ausreichend kühlbar“. Puhl entwirft ein Horror-Szenario: Die digitale Kommunikation, Administration, ILIAS und das Portal2 – nichts würde mehr funktionieren. „Wenn da was kaputt geht, können wir die Uni dichtmachen!“. Also steht zum nächstmöglichen Zeitpunkt nun auch noch ein Umzug des Rechenzentrums an und das sogar mit oberster Priorität.

„Wenn das Rechenzentrum Schaden nimmt, können wir die Uni dichtmachen!“ – Prof. Dr. Thomas Puhl, Rektor der Uni Mannheim

Was die Uni braucht ist mehr Platz in neuen und bestenfalls landeseigenen Gebäuden direkt auf dem Campus. So wie der 20 Millionen-Neubau in B6, der im Herbst 2017 bezogen wurde (hier geht’s zum Artikel). Mit Seminar- und Gruppenarbeitsräumen, Büros für die Graduate School of Economic and Social Sciences (GESS) oder die MKW-Fakultät macht er teuer angemietete und in der Stadt verstreute Ausweichgebäude überflüssig (hier geht’s zum Artikel). Genau gegenüber, auf der Freifläche zwischen A5 und Sternwarte, dort wo jetzt beherzt diskutiert wird, soll „in absehbarer Zeit“ das nächste Gebäude dieser Art stehen und dann als neue und sicherere Heimat des Rechenzentrums dienen. Im Gegensatz zu heute, abgelegen unterm Dach am Rande des Campus, dann gut erreichbar im Erdgeschoss als Informations-, Kommunikations- und Service-Mittelpunkt im Zentrum. Bereits begonnen haben die Fundamentarbeiten für eine Erweiterung des neuen B6-Gebäudes. Direkt daneben baut das Studierendenwerk Mannheim demnächst ein neues Studentenwohnheim mit 200 zusätzlichen Einheiten. Die Herausforderung Platznot hat es mit der Universität gemeinsam. Zu Beginn eines jeden Semesters erhält das Studierendenwerk rund 3000 neue Bewerbungen auf Wohnheimplätze, nicht mehr als 1000 werden aber jedes Mal frei.

Eine weitere Möglichkeit zur Erweiterung des Campus sehen Universität und Stadt in der Bebauung des Friedrichspark. Dort wo jetzt noch Bäume stehen, könnten mittelfristig fünf Forschungs- und Lehrgebäuden entlang der Bismarckstraße realisiert werden. Die Tübinger Architekten Mathias Hähnig und Martin Gemmeke hatten mit dem Landschaftsarchitekten Stefan Fromm bei einem von Stadt und Land ausgeschriebenen städtebaulichen Wettbewerb im April letzten Jahres den ersten Preis für ihren Entwurf erhalten. Die große Sorge der Anwohner: Bei diesem Vorhaben verlöre die ohnehin schon hochgradig versiegelte, dicht bebaute und verkehrsbelastete Innenstadt einen der letzten Grünstreifen der Frischluftzufuhr. Die Tatsache, dass die Stadt einen entgegengesetzten Klimakurs verfolgt, sorgt für noch mehr Unverständnis. Eigentlich will Umweltbürgermeisterin Felicitas Kubala Förderungen und womöglich sogar Verpflichtungen für mehr Stadtbegrünung auf Dach-, Fassaden und Entsiegelungsflächen auf den Weg bringen. Der Mannheimer Stadtplaner Dr. Hanno Ehrbeck versucht zu beruhigen: „Wir befinden uns erst in der Erarbeitungsphase und müssen die entsprechenden Klima- und Baumgutachten noch erstellen.“

Unirektor Puhl sieht in der Bebauung des Friedrichsparks in der Summe keinen Grünverlust. Bei einem Abriss des brachliegenden Eisstadions würde Grünfläche zurückgewonnen werden, die Dächer der Neubauten könne man ebenfalls begrünen. Außerdem sorge man für eine Belebung und Aufwertung des Parks, der bisher „als von Verkehr umgebener Angstraum wahrgenommen“ werde. Bis zum dortigen Spatenstich wird wohl noch eine Weile vergehen. Mit einem Baustart in den nächsten 5-10 Jahren sei nicht zu rechnen, so Bernd Müller vom Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden- Württemberg im November 2017. Nördlich der Bismarckstraße allerdings sind die ersten Veränderungen längst im Gange. Hier haben Projektgegner die größeren Bäume bereits mit Protestplakaten versehen. Fest steht, dass einige von ihnen fallen werden. Ob man es schaffen kann, das Dilemma zwischen dem Erhalt innerstädtischer Natur und mehr Platz für die Uni aufzulösen, muss sich noch zeigen. Dass sich der Campus schon bald verändern wird, ist hingegen sicher.

von Adam Aach


Rege Teilnahme: Die Bürgersprechstunde auf dem Areal des neuen Rechenzentrums zwischen Gebäude A5 und Sternwarte.


Begeistert: Unirektor Prof. Dr. Thomas Puhl vor den Bebauungsplänen und Entwürfen.


Stiller Protest: Plakate an den großen Platanen in A5 machen auf deren drohende Fällung aufmerksam.


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