Déjà-vu

 In BAStA, Hochschulpolitik

Heute endet an der Uni Mannheim die Vorlesungszeit des Frühjahrssemesters 2017. Wegen der vielen Lernerei ist es sehr wahrscheinlich, dass die meisten von euch die Debatte über das Urheberrecht auf Lehrmaterialien an den Hochschulen Deutschlands verdrängt haben. Doch jetzt kommen Erinnerungen von vor einem halben Jahr wieder hoch.

Zwischen der VG-Wort (Die Verwaltungsgesellschaft, die eine angemessene Vergütung der Autoren und Verlage sicherstellt und Geld von denjenigen kassiert, die das geistige Eigentum anderer nutzen) und der Kultusministerkonferenz, die die Bildungspolitik der Länder koordiniert, laufen seit Jahren Gespräche. Dabei geht es um die Aushandlung eines Vertrages, der u.a. das Nutzungsrecht von Universitäten in Bezug auf Lehrinhalte langfristig regelt. Die VG-Wort fordert eine gerechte Entlohnung für die Urheberinnen und Urheber, falls man auf ihre Werke zugreift. Die Kultusministerkonferenz hingegen versucht, uneingeschränkte Forschung und Lehre zu garantieren.

Der neuste deutschlandweit geltende Vertrag, ausgehandelt Ende 2016, regelt die Vergütung der Urheber auf Basis einer Einzelerfassung jeder Nutzung. Auszüge aus Lehrmaterialien müssen bei Ihrer Verwendung dabei durch die dem Vertrag beigetretenen Hochschulen einzeln angemeldet und bezahlt werden. Das Rektorat unserer Uni hat einen Beitritt dieses Rahmenvertrages abgelehnt, weil solch ein Verfahren mit hohem bürokratischen Aufwand für die Lehrstühle verbunden ist und somit zusätzliche Kosten verursacht, für welche die Universität keine finanziellen Kapazitäten übrig hat. Daraufhin war ungewiss, wie man in Zukunft verfährt. Es stand aber fest, dass sämtliche auf ILIAS veröffentlichte Werke zum 1. Januar dieses Jahres gelöscht werden würden – bevor die Klausuren zum Zweittermin geschrieben waren. Uns Studierenden konnte man lediglich dazu raten, alle relevanten Materialien frühzeitig zu downloaden, um trotz der Umstände eine Möglichkeit zum Lernen zu haben. Wie man nach dem 1. Januar verfahren würde, stand damals noch in den Sternen. Die Vorstellung, sich nie wieder Literatur und Arbeitsmaterialien bequem und online über ILIAS beschaffen zu können, bereitete vielen Sorge und Ärger. Schlangen am Kopierer und stapelweise Türme aus Texten auf gedrucktem Papier? Das sind doch Erinnerungen älterer Generationen!

Zum Glück kam es anders – zumindest vorübergehend. Die VG-Wort gab bekannt, eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, die einen „einvernehmlich Lösungsvorschlag“ vorlegen solle. Bestehend aus dem Geschäftsführer der Gesellschaft sowie Vertretern aus der Hochschulrektoren- und Kultusministerkonferenz wolle sie eine „bruchlose weitere Nutzung der digitalen Semesterapparate an den deutschen Hochschulen über die Jahreswende hinaus gewährleisten“. Bis spätestens zum 30. September 2017 will man eine praktikable Lösung gefunden haben. Bis dahin gilt: Zunächst können die Lehrinhalte wie gewohnt genutzt werden.

In dieser Woche gab es Neuigkeiten: Am vergangenen Montag (29. Mai) fand im Bundestag die Anhörung zu einer Novellierung des bisherigen Urheberrechts statt. Dieser Gesetzesentwurf ermöglicht eine Rückkehr zur pauschalen Abrechnung der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken. Außerdem soll es eine eine Erhöhung des Anteils dessen geben, was für Studierende an Materialien kostenlos zugänglich gemacht werden darf. Bisher liegt diese sogenannte „Wissensschranke“ bei 15 %. Laut unserer Verfassten Studierendenschaft (VS) würden aber erst 25 % eine „effektive praktische Verwendung von Werken für Forschung und Lehre“ erlauben. Genau diese 25 % fordern Bundesrates und Hochschulrektorenkonferenz.

In zweiter und dritter Lesung wird der Entwurf am 28. und 29. Juni verhandelt. Würde diese Novellierung abgelehnt, bliebe es bei der alten Einzelabgeltung. In solch einem Fall bliebe der Vertrag für die Uni so spröde wie zuvor. Käme es dann erneut zu einem Austritt, würde das oben geschilderte Horrorszenario zur Wirklichkeit. Man darf dementsprechend gespannt sein auf Ende Juni.

Adam Aach, Mitarbeit: David Nowak

Die Fachschaft BWL hat viele relevante Informationen auf einer Sonderseite kompakt aufgelistet. Wer auf der Suche nach ausführlicheren Details ist, der oder die klicke hier: http://fsbwl.de/vg-wort. Unsere Verfasste Studierendenschaft (VS) hat ebenfalls zu diesem Thema Stellung genommen. Ihren offenen Brief anlässlich der bevorstehenden Gesetzesberatung lest ihr im Folgenden:


Sehr geehrte Damen und Herren,

durch das Urteil des Bundesgerichtshofs über den Rahmenvertrag zwischen der Kultusministerkonferenz und der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) drohte schon Ende letzten Jahres der Wegfall der E-Learning Angebote an deutschen Universitäten und Hochschulen.

E-Learning und der digitale Zugang zu wissenschaftlicher Literatur sind für uns Studierende unerlässlich. Die Internationalisierung und Digitalisierung der Lehre hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Moderne Hochschulen sollen ihren Studierenden den einfachen Zugang zu digitaler Literatur ermöglichen. Nur so kann der hohe Standard von Lehre und Forschung nachhaltig erhalten werden.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände spricht sich die Verfasste Studierendenschaft der Universität Mannheim im Namen aller Studierenden der Universität Mannheim für den aktuellen Entwurf der Novellierung des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG) aus.

Dieser Gesetzentwurf ermöglicht, von den neuen Einzelabgeltungen zur Pauschalabgeltung von wissenschaftlichen Texten zurückzukehren. Die durch Einzelabgeltungen entstehenden neuen Kostenabrechnungen, die bei großen Mengen an benötigter Literatur nicht mehr tragbar sind, würden die finanziellen Möglichkeiten der Universitäten radikal überschreiten. Weiterhin entstünde dadurch ein bürokratischer Aufwand, der für die einzelnen Dozierenden, Professorinnen und Professoren unzumutbar wäre.

Ohne die Möglichkeit der unbürokratischen Pauschalabgeltung können die Angebote auf E-Learning-Plattformen nicht garantiert werden. Die Wiedereinführung einer Pauschalabgeltung stellt aus Sicht von uns Studierenden das Kernstück des neuen Gesetzentwurfes dar.

Wir fordern alle Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf, dieses Kernstück im neuen Gesetzentwurf beizubehalten und somit zeitgemäße und zukunftsorientierte Lehre an deutschen Universitäten und Hochschulen zu garantieren.

Darüber hinaus schließen wir uns der Forderung des Bundesrates und der Hochschulrektorenkonferenz an, die Wissenschaftsschranke von 15% auf den ursprünglich vorgesehenen Prozentsatz von 25% zu erhöhen. Erst 25% erlauben eine effektive praktische Verwendung von Werken für Forschung und Lehre.

Auch uns Studierenden ist an einer angemessenen Abgeltung von wissenschaftlichen Texten wichtig. Autorinnen und Autoren müssen in angemessener Höhe für ihre Leistungen entlohnt werden. Dies darf allerdings nicht im Widerspruch zum Einsatz in E-Learning-Portalen stehen.

Vor diesem Hintergrund fordern wir alle Abgeordneten des Bundestages auf, die Pauschalabgeltungen im Gesetzentwurf beizubehalten und zu beschließen. Ein Urheberrecht, das sich nicht dem neuen Stand von Forschung und Lehre anpasst, fügt dem Wissenschaftsstandort Deutschland massiven Schaden zu und verschlechtert die Studienbedingungen aller Studierenden.

Im Namen der Studierenden der Universität Mannheim 

Der Vorstand des Allgemeinen Studierendenausschusses

Der Vorsitz des Fachschaftsrates der Universität Mannheim

Das Präsidium des Studierendenparlaments der Universität Mannheim


 

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