Bernd Lucke beim Mannheim Forum – unsere Autoren streiten
Bernd Lucke zum MF – Es Lebe die Diskussion
Bernd Lucke. Bernd Lucke, da war doch was? Ach ja, die Sache mit der AfD, der Alternative für Deutschland. Ob er es will oder nicht, wer an Lucke denkt, wird zuallererst an die AfD denken. Ja, er wurde im Sommer 2015 von Petry und ihren Mitstreiter*innen aus dem Amt gejagt und hat daraufhin seine eigene Partei gegründet, die ALFA – ach ne, so dürfen die sich ja auch nicht mehr nennen, jetzt heißt es ja LKR, die Liberal-Konservativen Reformer. Aber dieser Bernd Lucke soll hier an die Uni kommen? Als Referent für Wirtschaft während des Mannheim Forums? Muss das sein? Der Gründer der AfD?
Ja. Denn von der Alternative hat sich Lucke längst verabschiedet. Er kritisierte ihre Politik und ihren Umgang mit Flüchtlingen öffentlich als „Nicht zu ertragen“ und warf seiner ehemaligen Partei eine „hässliche Politik“ vor. Aber auch sonst ist Lucke kein „Alternativer“ mehr. Der Kurs, dem seine Partei und damit auch er selbst folgt, ist neoliberales Denken.
Zölle abschaffen, Freihandelsabkommen abschließen und die starken Wirtschaftsmächte in einer eigenen Währung bündeln, dabei die Schwachen, wie Griechenland, ausgrenzen, sie
ihrem Schicksal überlassen. Grexit ist ein Wort, das Lucke gerne nutzt. Die EU möchte er zurechtstutzen, eine starke EU verhindern, sondern nur die Vorteile des gemeinsamen
Wirtschaftsraumes ausnutzen. Das kann man sehen wie man will, entweder man unterstützt es oder verfolgt andere politische Ziele.
Aber disqualifizieren diese Positionen Bernd Lucke als Teilnehmer des Mannheim-Forums? Nein. Denn es sind seine persönlichen Ansichten und das Recht zu denken hat auch er.
Man kann ihn in seinen Schlussfolgerungen verstehen oder auch widersprechen. Aber dass er sich keine Gedanken über die Zukunft des Wirtschaftssystems machen würde, kann man
ihm sicher nicht vorwerfen. Außerdem soll es beim Mannheim Forum im Kern um die Steuerpolitik gehen. Wie kann diese in Zukunft aussehen, welche Reformen sind notwendig? Die Einstellung eines Neoliberalen kann in einer Diskussion über dieses Thema nicht schaden, im Gegenteil, sie wird sie erst so richtig befeuern. Hinzu kommt noch, dass neben Bernd Lucke noch der Kriminologe Sebastian Fiedler (Stichwort Steuerflucht) und vor allem Lothar Binding als Finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion zum Schwerpunkt Wirtschaft eingeladen sind. Gerade die Kombination von LKR und SPD in einer Diskussionsrunde machen das Thema doch erst richtig interessant, kann Lucke seine Kritik am Steuersystem doch direkt an einen
Vertreter des „Establishments“ richten und dieser klarmachen, warum diese Kritik nicht ganz berechtigt ist.
Außerdem: Wenn man die Einladung von Bernd Lucke kritisiert, kommt man auch um Kritik an Katja Kipping nicht drum rum. Denn Populismus ist kein Gebiet, das allein die rechte
Kante des Parteienspektrums für sich beansprucht. Wer Lucke nicht will, sollte auch die Ausladung Kippings fordern. Dann hätten wir einen schönen großkoalitionären Einheitsbrei
in den Diskussionen, wo jeder den anderen bis in den Himmel lobt und sich nicht traut, auch mal den Finger in die Wunde zu legen. Solange die eingeladenen Gäste mit beiden Beinen
fest auf dem Boden der deutschen Verfassung stehen, ist gegen deren Kommen nichts einzuwenden. In einer Demokratie müssen wir alle gleich behandeln. Sonst machen wir uns unglaubwürdig.
Die Einladung Luckes ist also sinnvoll. Er spiegelt einen Standpunkt wider, der vielleicht einigen nicht sofort geläufig ist und kann so neue Denkanstöße geben. AfD hin oder her, die hat inzwischen mit Lucke nur noch so viel zu tun wie Trump mit Hillary Clinton: Sie bekämpfen und beschimpfen sich. Und selbst wenn Lucke nur als Provokation eingeladen wurde, um Aufmerksamkeit für das Mannheim Forum zu erregen, muss man den Organisatoren eines lassen: Sie haben es geschafft. In diesem Sinne: Es lebe die Diskussion.
Christian von Stülpnagel
Bernd Lucke: Nein Danke!
Bernd Lucke soll zu Mannheimer Forum kommen? Der Bernd Lucke? Das muss doch echt nicht sein. Er ist immerhin Mitbegründer einer Partei, die sich offen gegen die EU und gegen die Internationale Gemeinschaft ausspricht, die den Schulterschluss mit europäischen Rechtextremisten wie der Front National aus Frankreich sucht und menschenverachtend
gegenüber Flüchtlingen äußert, als wären sie eine Flut, die Deutschland überschwemmen und unsere Kultur zerstören würden. Und der Mann, der diese Partei hauptsächlich
mitbegründet hat, soll jetzt von der Universität hofiert werden? Nein Danke. Einem solchen Politiker sollte man keine Bühne bieten! Natürlich kann man jetzt anführen, dass sich Lucke längst von der AfD getrennt hat und ihre Politik inzwischen offen kritisiert. Aber was ändert das an der Person Lucke? Er war es, der der Partei den ersten kleinen Stoß in Richtung rechte Ecke gegeben hat, der die Dämonen rief, die sich dann in der Partei breit machten und ihn schließlich chassten, wie es in einigen Medien so schön bildlich hieß. Er war es doch, der als Gründer und Vorsitzender seiner Partei die rechten und extremen Kräfte lange tolerierte und nicht entschieden sagte, was ok ist und was nicht. Er selbst bezeichnete Sinti und Roma als „nicht integrationsfähig“. Durch
Aussagen wie diese macht sich Bernd Lucke maßgeblich mitverantwortlich für die Spaltung, die sich gerade in Deutschland vollzieht.
Gerade eine Universität, die stolz auf ihre internationale Vernetzung ist und sich damit rühmt, ihren Studierenden Auslandssemester an Partneruniversitäten in ganz Europa zu
ermöglichen, sollte einem Feind des starken geeinten Europas keine Bühne geben. Denn die Positionen, die Lucke mit seiner neuen Partei LKR bezieht, unterscheiden sich nur in einem Punkt wirklich von jenen der AfD, und auch hier nur halb. Lucke selbst spricht zwar nicht davon, dass die Flüchtlinge Deutschland zerstören würden, befindet sich mit seinen
Positionen aber dennoch stark am rechten Rand des politisch Akzeptierbaren. Die Entscheidung, Lucke für seine wirtschaftspolitischen Ideale einzuladen, ist ja noch
nachvollziehbar. Aber in Europa ist er mit dieser Position nicht allein. Es gibt noch andere, die seine Ideen und Pläne verfolgen. Wer also wirklich an einem wirtschaftlichen Diskurs interessiert ist, kann ja gerne Neoliberale einladen, aber es gibt weit bessere Kandidat*innen als Lucke.
Aber nicht, dass die Person Lucke schon schlimm genug wäre. Der Grund, warum man ihn offensichtlich eingeladen hat, erscheint noch viel schlimmer! Die gezielte Provokation
suchen, um mehr Aufmerksamkeit auf das Mannheim Forum zu lenken, ist doch wohl nur verwerflich. Wenn man ihn wenigstens eingeladen hätte, damit er seine wirtschaftlichen
Vorstellungen präsentieren kann und wie er sich denn eine seiner Meinung nach gute EU vorstellt, könnte man sein Kommen ja vielleicht noch verstehen. Ihn aber einzuladen, eben
weil sein Name vielen noch mit der AfD verbunden ist, um somit eine große Diskussion anzuheizen und quasi mit seinem schlechten Image Werbung zu machen, ist sehr
unverständlich. Da weiß man wirklich nicht, was mehr zu kritisieren ist: Lucke oder die Organisatoren. Was kommt als nächstes? Marine LePen zum Thema „Wie sicher ist Europa
noch?“ Da kann man noch so viel von einer gleichberechtigten Debatte mit allen politischen Kräften reden, irgendwann ist einfach Schluss.
Und damit es in Zukunft nicht noch schlimmer wird muss schon 2017 gelten: Kein Raum für Populisten. Bernd Lucke an der Uni Mannheim? Nein Danke!
Anna Wohlmann