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Seit Semesterbeginn ist die Mannheimer Hochschulpolitik um eine Hochschulgruppe reicher: Mitte Januar hat sich an der Uni Die Linke.SDS gegründet. Schon im Frühjahr will sie bei den Uniwahlen antreten und das Hochschulklima verändern. Realistisches Ziel oder aussichtloser Versuch? Die Vorläuferorganisation war 2015 gescheitert. Wir haben die Gruppe bei ihrer wöchentlichen Sitzung besucht.
Es beginnt spielerisch. Alle stehen sich in einem Kreis gegenüber. Im Inneren stehen Stühle – für jede Person einer. Die Stühle müssen auf zwei Beinen balanciert und ohne, dass sie umkippen weitergereicht werden. Keiner der Mitspielenden darf zwei Stühle gleichzeitig halten. Hier ist Teamgeist gefragt.
Montagabend – fast alle Hochschulgruppen haben jetzt ihre wöchentliche Sitzung. So auch Die Linke.SDS. Die letzten drei Buchstaben stehen für Sozialistisch-Demokratischer-Studierendenverband, die Hochschulorganisation der Partei Die Linke. Die Hochschulgruppe ist jung. Erst vor kurzem geründet, trifft sie sich heute regulär zum zweiten Mal. Hanna Böhm und Leon Brülke sind ihre Initiatoren. Sie studiert Soziologie, er VWL. Hanna engagierte sich bereits vorher im Kreisverband der Mutterpartei, Leon ist SPD-Mitglied – ein junger Oskar Lafontaine sozusagen. Schon länger hatten sie mit dem Gedanken gespielt, Mitte Januar riefen sie die Hochschulgruppe dann schließlich ins Leben. Schnell war das Gründungsprotokoll verfasst und an den Bundesverband verschickt. Zurück kamen Arbeitsmaterial und finanzielle Mittel. Jetzt ist der SDS an der Uni Mannheim offiziell anerkannt. Vollkommen neu ist die Gruppe hier allerdings nicht: Bis ins Jahr 2015 trat eine gleichnamige Vereinigung bei den Uniwahlen an, allerdings mit geringem Erfolg: Kapp ein Prozent der Stimmen reichten seinerzeit für keinen der 23 Sitze im Studierendenparlament. Ein Skandal rund um gefälschte Unterschriften im Jahr zuvor zeigte scheinbar noch Nachwirkung. Damals war die Hochschulgruppe mit einer Wahlliste angetreten, auf der ein Großteil der Kandidierenden ohne Wissen, Einverständnis oder Unterschrift gelistet waren. Ein klarer Fall von Wahlbetrug.
Dieses Tief ist überstanden. Heute ist der SDS personell neu aufgestellt. Knapp 40 Interessierte haben den Kick-Off im Februar besucht. Vor ein paar Tagen war man im Käfertaler Wald wandern – ein Teambuilding-Event. Jetzt sitzen sie zu zwanzigst in einer Runde und blicken in die Zukunft. Eine feste Sitzungsleitung gibt es nicht. Ein Spielkartendeck, genauer gesagt die Karte Ass entscheidet, wer die heutige Sitzung moderiert. Ein Joker bedeutet Protokollführung. In verschiedenen Arbeitsgruppen – sie sind Themen wie Wirtschaft, Nachhaltigkeit, Feminismus, Anti-Rassismus oder 68er-Bewegung gewidmet – werden Themen gesammelt. Außerhalb der Sitzungen erfolgt die Koordination meist online. Die Linke.SDS wirkt gut organisiert.

An die Arbeit: Die Mitglieder des SDS haben sich in ihren Arbeitsgruppen zusammengefunden.
Doch programmatisch steht die Hochschulgruppe weit am Anfang. Eine Frage fällt besonders schwer: Wird sie in der gegenwärtigen Hochschulpolitik Platz finden? Denn dort will der SDS hin. Derzeit haben die sozialdemokratische Juso-HSG und die links-grün alternative gahg die Mehrheit. Beide Hochschulgruppen bilden im Studierendenparlament (StuPA) ein Mitte-Links-Bündnis und besetzen im AStA alle Referate. Kurz gesagt: Die Studierendenvertretung ist bereits links geprägt. Das sieht man beim SDS anders: Die gahg sei zuletzt die einzige Partei gewesen, die grün-linke Themen abdecke. Doch durch die Jusos, die in Mannheim so wirtschaftsliberal wie an fast keinem anderen Standort in Deutschland seien, wären die politischen Entscheidungen letztendlich nichts weiter als pragmatisch. Man sieht sich als die einzig echte hochschulpolitische Linke an der Uni. „Gewinnen wir den anderen Hochschulgruppen Stimmen ab, wird das StuPa linker. Schwächen wir die LISTE, machen wir es konstruktiver“, scherzt Leon. Der SDS ist optimistisch, dass sie die Verfasste Studierendenschaft tatsächlich verändern kann. Das AStA-Bündnis aus Juso-HSG und gahg beruht aktuell auf einer Mehrheit aus einem Sitz. Allein der Einzug der neuen Hochschulgruppe ins StuPa werde alles ins Wanken bringen, ist man sich sicher. „So gesehen sind wir das Zünglein an der Waage“, sagt Marius, der sich die zweite Sitzung des SDS heute als Interessent anschaut.
Der heutige Sitzungsabend dreht sich fast ausschließlich um die anstehenden Universitätswahlen. Es wird die Struktur der Verfassten Studierendenschaft erklärt, insbesondere die Funktionen des StuPas. Für viele hier ist die Hochschulpolitik vollkommen neues Terrain. „Unser Eindruck vom StuPa war echt okay“, berichten Hanna und Leon. „Es ist sehr entspannt, während der Sitzungen darf Bier getrunken werden“. Beide versuchen, ihren Mitstreitenden ein Amt im Parlament schmackhaft zu machen. Ende dieses Monats müssen die antretenden Hochschulgruppen ihre Wahllisten einreichen. Bis zur nächsten Sitzung haben alle Zeit, sich die eigene Kandidatur durch den Kopf gehen zu lassen. „Macht das sorgfältig! Ihr wisst, unsere Vorgänger hatten damit schon einmal Probleme“, appelliert Leon mit sarkastischem Unterton. Auch beim Wahlprogramm ist Eile geboten. Ein konkretes Konzept fehlt bisher noch. „Wir haben nicht mehr viel Zeit. Das zieht jetzt ganz schön an, aber es ist machbar.“ Nun finden sich die Studierenden in ihren Arbeitsgruppen zusammen und planen. Gegen halb zehn ist Schluss. Man darf gespannt sein, wie sich die noch im Aufbauprozess befindende Hochschulgruppe entwickeln wird. An Ambitionen scheint es den Beteiligten jedenfalls nicht zu mangeln. Doch nun geht es erst einmal in die Kneipe. Dort wird man weitersehen.
Von Adam Aach